A. Rotzetter: Streicheln, mästen, töten

Cover
Titel
Streicheln, mästen, töten. Warum wir mit Tieren anders umgehen müssen


Autor(en)
Rotzetter, Anton
Erschienen
Freiburg im Breisgau 2012: Herder Verlag
Anzahl Seiten
200 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Bernadette Berger, Departement für Historische Wissenschaften – Sekretariat Bereich Geschichte moderner und zeitgenössischer Gesellschaften, Universität Freiburg

Anton Rotzetter, Dr. theol., ist Referent für zeitgenössische Spiritualität und einer der führenden Stimmen der christlichen Tierschutzbewegung. Er ist Mitbegründer des Instituts für Theologische Zoologie und Präsident von AKUT Schweiz (Arbeitsgemeinschaft Kirche und Tiere). AKUT ist eine kirchenkritische Basisbewegung, die einerseits die Anliegen des Tierschutzes in die Kirchen hineintragen und andererseits spirituelle Grundeinsichten für die Tierschutzbewegung fruchtbar machen will. AKUT organisiert Gottesdienste, Vorträge, Ausstellungen, Konzerte und plant ein Label «Tierfreundliche Kirchgemeinde». AKUT appelliert an die Kirchen, an ihre Mitglieder und all ihre Einrichtungen und Institutionen zu einem lebensfreundlichen und nachhaltigen Lebensstil und zum Engagement für unsere Mitgeschöpfe, die Tiere.

In seinem Buch Streicheln, mästen, töten zeigt Anton Rotzetter Zusammenhänge zwischen Klimawandel und übermässigem Fleischkonsum, seine Auswirkungen in Brasilien und Europa. Alles hängt mit allem zusammen: die spanische Tomate – dahinter steht eine verfehlte Wirtschaftspolitik, die die Lebensgrundlagen in Afrika zerstört. Sie schafft Flüchtlinge, die zu Tausenden über das Mittelmeer drängen und oft genug darin umkommen. Arbeiter, die unter menschenunwürdigen Bedingungen die Tomate oder dieses oder jenes herstellen. Wer zum Beispiel jeden Tag Fleisch isst, isst das Brot der Armen. Ein Zusammenhang, von dem wir seit Jahrzenten wissen können. Täglich sterben 100.000 Menschen vor Hunger – nicht weil es zu wenig Lebensmittel gäbe, sondern weil diese für unseren Fleischkonsum gebraucht werden.

Unser Verhältnis zu den Tieren ist höchst widersprüchlich: Gehätschelt als Haustiere, zur blossen Sache degradiert in Forschung und Massentierhaltung. Anton Rotzetter führt vor Augen, wie wir mit Tieren umgehen und welche Folgen damit verbunden sind. Er gibt ethische Orientierung und zeigt politische Perspektiven auf. Inspiriert von Franz von Assisi kommt der Schweizer Ordensmann und Tierschützer zu einem klaren Votum: Es muss jetzt aufhören! Wir brauchen einen anderen Umgang mit Tieren. Inzwischen erkennen wir Zusammenhänge, die uns zwingen, in den Tieren Subjekte zu sehen, mit denen wir eine gemeinsame Zukunft auf unserem Planeten haben. Wenn dies nicht sehr schnell erkannt wird, kann es für uns Menschen kein gutes Morgen geben.

Wer denkt schon beim Schminken, Putzen, Waschen oder bei einem guten Essen mit Fleisch daran, dass hierfür Tiere qualvoll leiden und sterben müssen. Die Zahlen der Tierversuche an Katzen, Kaninchen, Hunden u.v.a. sind erschreckend! Muss das denn wirklich sein? Es ist unglaublich, wozu der Mensch alles fähig ist, nur um seine Lust, sein Vergnügen, ganz zu Schweigen von seiner Geldgier zu stillen. In welcher Welt leben wir eigentlich?

Wir brauchen eine Gesetzgebung, welche das Tier als ein lebendiges Wesen, ja als Geschöpf Gottes betrachtet und die Würde des Tieres über alle ökonomischen Gesetze stellt.

In Brasilien werden Regenwälder zerstört, um Getreide anzupflanzen, nicht etwa um den Hunger der Brasilianer zu stillen, sondern um Tiere in Europa zu füttern, welche dann auf unseren Tellern landen, was nicht nur Hunger und Armut in Brasilien hervorbringt, sondern auch die Zerstörung unseres Klimas bewirkt, worunter wir dann auch in Europa zu leiden haben.

Oder die Überfischung der Meere: Die Fische leiden nach dem Fang zu Tausenden in engen Netzen, bis sie an Bord qualvoll ersticken oder noch halb lebend verarbeitet werden. Immer mehr Arten sind überfischt oder gar gefährdet. Dabei ginge es so gut auch anders: Ein reduzierter Fleischkonsum oder gar eine vegetarische Ernährung würde sogar unsere Gesundheit fördern, leidvolle Tiertransporte reduzieren; umweltfreundliche Haushaltprodukte schonen nicht nur unsere Gewässer, sondern auch unsere Gesundheit. Die wunderbar riechenden Kosmetikprodukten von und aus der Natur hergestellt verlangen keine Tierversuche und sind für den Menschen erst noch verträglicher und vor allem gesünder.

Tiere und Politik: In Europa haben sich Parteien für das Tier gebildet, diesen geht es um den Zusammenhang von Mensch, Umwelt und Tier. Deshalb nennen sie sich MUTParteien, nach den Initialen der genannten Dreiergruppe. In ihrem Positionspapier benennt die Schweizer Tierpartei (Gründung 2010) ihre Einstellungen zu Sozialpolitik, Sicherheit, Verkehr, Finanzen, Umwelt und Energie, Aussenpolitik, Gesundheit, Landwirtschaft und Innenpolitik. Hier sind Postulate formuliert, welche zu einer Gesellschaft führen können, in der das Leben Ausgang, Mitte und Ziel des politischen Handelns ist.

Gott liebt die Tiere: Anton Rotzetter möchte einige Texte zur Geltung bringen, die vor allem der Bibel verpflichtet sind. Schöpfung ist ein religiöser Begriff, er setzt voraus, dass sich die Wirklichkeit, in der wir leben, nicht von selbst versteht. Sie verdankt sich einer Instanz, die wir «Gott» zu nennen pflegen. Die Schöpfung ist von ihm ins Dasein gerufen bzw. geschaffen worden. Schöpfung ist also eine Wirklichkeit, die aus dem freien Willen Gottes hervorgeht. Gottes Wille ist es, dass die Schöpfung das Zuhause aller Menschen ist, die sich darin wohl fühlen, achtsam miteinander umgehen, Sorge zur Umwelt tragen. Ja, Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens, auch des Tieres, zu haben, das ist es, was Gott will. Doch die reale Welt, in der wir leben, ist auf allen Ebenen das genaue Gegenteil – von uns Menschen hervorgebracht.

Und eigentlich gab «Gott» uns Menschen doch eine wunderbare Fähigkeit, nämlich die Fähigkeit zu lieben: Drück einen Stein an dein Herz, und küss einen Tropfen Wasser. Sing den Blumen ein Lied vor, und umarm den einsamen Baum auf dem Feld. Schau einem Hund in die Augen, und adoptiere ein verlassenes Tier. Geh Hand in Hand mit deinem Nachbarn, und folge deinem eigenen Schatten.

Zitierweise:
Bernadette Berger: Rezension zu: Anton Rotzetter, «Streicheln, mästen, töten«. Warum wir mit Tieren anders umgehen müssen, Freiburg i. Br., Herder, 2012. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 108, 2014, S. 591-592.

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